11.10.2022 um 19:00 Uhr
Seelengemeinschaft mit Realitätsschock:
das Künstler- und Ehepaar Modersohn-Becker aus Sicht der Familiengeschichte
Prof. Dr. Joachim Eibach, Bern
in der Kunsthalle Bremen
Paula Becker und Otto Modersohn führten eine in vieler Hinsicht moderne Ehe, die Hierarchien und Konventionen des 19. Jahrhunderts überwand. Den Ausgangspunkt des Vortrags bildet das bürgerlich-liberale Habitat der Bremer Familie Becker, in dem Paula aufwuchs. Wichtig für das Thema sind zudem die kulturellen Aufbrüche um 1900 in Europa und die fragilen Freundschaften in der Künstlerkolonie Worpswede. Im Alltag des Paars wurden nicht nur innovative Kunst und Malerei, sondern auch Geschlechterrollen neu ausgehandelt. Dabei bewirkte die von der Romantik in die Welt gesetzte Idee von der Ehe als gelebte Seelenverwandtschaft eine enorm hohe Erwartungshaltung. Dies gilt allgemein für die Ehe in der Moderne wie auch konkret für das Paar Modersohn-Becker. In der gelebten Realität der Beziehung ging es jedoch auch um Kochen, Finanzen, Sexualität und langweilige Winterabende. Insbesondere die Tagebücher und Briefe von Paula zeigen prägnant den Versuch, bürgerlichen Familiensinn und künstlerische Subjektivität miteinander zu verbinden und auszutarieren. Keine einfache Aufgabe!